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Der Islam und die westliche Welt
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Der Islam und die westliche Welt
von: Adel Theodor Khoury
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2001
ISBN: 9783534700318
224 Seiten, Download: 632 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: A (einfacher Zugriff)

 

 
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Leseprobe

KAPITEL XII

Muslime in einer pluralistischen Gesellschaft (S. 144-145)

Islam und Integrationsproblematik

In der Bundesrepublik Deutschland leben zurzeit über drei Millionen Muslime verschiedener Nationalität; die meisten von ihnen sind Türken. Auch in den übrigen Ländern der westlichen Welt leben Muslime, die inzwischen beachtliche Minderheiten bilden. Diese islamischen Minderheiten sehen sich zunehmend mit verschiedenartigen Problemen konfrontiert. Diese Probleme hängen auf der einen Seite mit ihrem Leben in einer Industriegesellschaft zusammen, einer Industriegesellschaft, die zudem aus einer anderen, christlichen Tradition erwachsen ist.Auf der anderen Seite stellt sich den Muslimen die Frage nach der eigenen Identität in einer nicht-islamischen Gesellschaft mit zunehmender Schärfe.

Je nach der Situation, dem Bildungsstand und der persönlichen Neigung der Betroffenen treten bei ihnen verschiedene Reaktionen zutage. Zwischen der Gleichgültigkeit und der Loslösung von der früheren Tradition bei den einen und der Entwicklung fanatischer Ablehnungshaltungen bei den anderen gibt es alle Schattierungen der Entfremdung gegenüber dem eigenen Normensystem und der Auflehnung gegen die Gesellschaft, in der sie gezwungen sind zu leben.

Diese Situation verschärft sich bei den Muslimen, die in ihrer heimatlichen Gemeinde Halt gefunden hatten und eine solche Gemeinde in der Fremde nicht wieder finden oder nicht mehr wieder aufbauen können. Da die islamische Gemeinschaft nicht hierarchisch strukturiert ist, kein Lehramt und keine Gemeindeleitung im christlichen Sinne kennt, fällt es frommen Muslimen schwer, einen Ersatz für die Gemeinde der Heimat zu finden, welche als Trägerin des religiösen und sozialen Lebens eine zentrale Rolle spielte. Außerdem hat der Islam in seiner Rechtstradition hauptsächlich nur ein Modell des Zusammenlebens von Muslimen und Nicht- Muslimen ausgearbeitet. Dieses traditionelle Modell geht davon aus, dass die Muslime die Mehrheit bilden und die Herrschaft im Lande ausüben, die Gesetzgebung gestalten und die Rechtspre- chung nach islamischem Gesetz und Recht besorgen. In den europäischen Industriestaaten erleben die Muslime dagegen eine andere, bislang ungewohnte Welt. Hier bilden sie nur eine Minderheit, deren Einfluss in der Gesellschaft verschwindend gering ist, die sogar von den mächtigeren Gruppen argwöhnisch beobachtet wird und die alle Mühe hat, sich zu behaupten und ihre eigene Identität zu wahren.

Aus dieser Situation erwächst den Muslimen eine Unsicherheit in der Einschätzung ihres Rechtsstatus aus islamischer Sicht. Sie fühlen sich ratlos vor der Notwendigkeit, umfassende Normen für ihr Zusammenleben mit Nicht-Muslimen zu entwickeln. Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass die meisten islamischen Gemeinden, soweit sich Gemeinden gebildet haben, nicht von ausreichend qualifizierten Gemeindeleitern geführt werden, kann man die Not erkennen, die für viele Muslime die Diaspora-Situation mit sich bringt.

Angesichts dieser Lage ist es nicht verwunderlich, dass die Muslime sich an Richtungen, Bewegungen, Gruppierungen,Vorstellungen und Verhaltensmustern orientieren, die sie in ihren Heimatländern kannten. Dies geschieht in zunehmendem Maße, denn die islamische Szene, z.B. in der Bundesrepublik Deutschland, erlebt die Bildung von Gruppen und Bewegungen, die im Streit miteinander liegen und von denen jede mit Nachdruck zu bestimmen sucht, was islamischer Glaube sei und wie islamisches Leben in der Diaspora auszusehen habe. So erleben die Muslime in der Fremde dieselben Richtungskämpfe, die in den übrigen Ländern der islamischen Welt ausgetragen werden. Eine dieser Richtungen setzt auf die vollständige Islamisierung der Gesellschaft und des Staatswesens und lehnt jede Gesellschaftsordnung, die nicht die islamische ist, ab. Sie lehnt folglich auch jede Art von Integration in einer nicht-islamisch gestalteten Gesellschaft ab. Diese Haltung verstärkt sich bei den Gruppen, die ihre Hoffnung auf die heutige Renaissance des Islams setzen und deren Hauptziele vorbehaltlos übernehmen.



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