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Aggressionsdiagnostik
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Aggressionsdiagnostik
von: Franz Petermann, Ulrike Petermann
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2014
ISBN: 9783840926556
114 Seiten, Download: 2356 KB
 
Format: EPUB, PDF
geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: A (einfacher Zugriff)

 

 
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Leseprobe

|30|2 Diagnostik aggressiven Verhaltens


2.1 Welche Aussagekraft besitzen unterschiedliche Informationsquellen?


Möchte man aggressives Verhalten erfassen, müssen gezielte Informationen über die Form und Ausprägung der Problematik erhoben werden. Im Rahmen der Aggressionsdiagnostik kann man die

  • Betroffenen und/oder Bezugspersonen befragen oder

  • die aggressive Person in dem Kontext beobachten, in dem Problemverhalten gehäuft auftritt.

Entscheidet man sich für den ökonomischen Weg der Befragung, ist zu klären, welche Informationsquelle zu aussagekräftigen Einschätzungen beitragen kann. Bei der Befragung eines Kindes kann man auch Informationen von den Eltern erheben oder Bezugspersonen im Kindergarten oder in der Schule um Auskunft bitten. Alle diese Informationsquellen können typische Verzerrungen aufweisen.

So erkennen Eltern aggressives Problemverhalten bei ihren Kindern leicht und neigen häufig zu einer Dramatisierung (Andrews, Garrison, Jackson, Addy & McKeown, 1993; Döpfner & Petermann, 2012; Drotar, Stein & Perrin, 1995). Eltern neigen aber auch dazu, lediglich die Symptome zu berichten, die sie als am störendsten bzw. auffälligsten empfinden (Weiss, Jackson & Süsser, 1997). Lehrer stellen generell während der Grundschulzeit wichtige Informanten über die Entwicklung des Sozialverhaltens dar. Mögliche Diskrepanzen zwischen den Bewertungen von Kindern und den Einschätzungen ihrer Bezugspersonen führen Cantwell, Lewinsohn, Rohde und Seeley (1997) u. a. darauf zurück, dass

  • Kinder unter Umständen noch nicht die kognitive Reife besitzen, vollständige und zuverlässige Angaben zu ihrem psychischen Funktionsniveau zu machen; so erweist sich zum Beispiel die Erinnerungsfähigkeit bei retrospektiven Befragungen von Kindern unter acht Jahren als schlecht;

  • Kinder und Jugendliche dazu neigen, problematisches Verhalten nicht zu erwähnen oder bewusst Verhaltensweisen zu leugnen;

  • |31|Eltern (aber auch Lehrkräfte) häufig nicht die gesamte Bandbreite an Situationen kennen, in denen sich das Problemverhalten der Kinder äußert (z. B. oppositionelles Verhalten, das sich nur im Freizeitverhalten unter Gleichaltrigen zeigt);

  • zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unterschiedliche Vorstellungen über die klinische Bedeutsamkeit bestimmter Verhaltensweisen vorliegen könnten;

  • Kinder sich hinsichtlich ihrer Verhaltensmuster in verschiedenen Situationen und Altersgruppen entwicklungsbedingt unterscheiden.

Die großen Unterschiede in den Aussagen verschiedener Informationsquellen unterstreichen die Notwendigkeit, nicht nur die Eltern oder die Kinder alleine zu befragen, sondern vielmehr verschiedene Informanten einzubeziehen, vor allem, wenn es um indirekte Formen der Aggression geht (Hinshaw & Zupan, 1997; Marées & Petermann, 2010).

Im frühen Kindesalter stellen sicherlich die Eltern die beste Informationsquelle dar. Während der Kindheit können beispielsweise zusätzlich die pädagogischen Fachkräfte (Marées & Petermann, 2010) und während der ersten Schuljahre die Lehrkräfte befragt werden. Insbesondere

  • für die Bewertung offen-aggressiven Verhaltens erweist sich die Befragung von Eltern und Lehrern,

  • für die Bewertung verdeckter, dissozialer Verhaltensweisen die Befragung eines Kindes selbst und

  • für die Ermittlung indirekt-aggressiven Verhaltens insbesondere die Befragung Gleichaltriger (z. B. im schulischen Kontext) als sinnvoll (vgl. Kazdin, 1995).

Probleme ergeben sich, wenn verschiedene Informationen mithilfe unterschiedlicher Methoden (z. B. Befragung, Beobachtung) und aus unterschiedlichen Quellen (z. B. Eltern, Kind, Lehrer) integriert werden sollen. Hierzu liegen bisher noch keine einheitlichen Vorgehensweisen oder Handlungsanweisungen vor. Achenbach (1995) schlägt als eine Möglichkeit vor, bei der Befragung unterschiedlicher Informanten Verfahren einzusetzen, die dieselben Merkmale erfassen, sich jedoch entweder an die Eltern, das Kind selbst oder eine Lehrkraft richten.

2.2 Ein Praxisbeispiel: Leitlinien zur Diagnostik aggressiven Verhaltens im Kindesalter


Ob ein aggressives Verhalten als klinisch-relevant einzustufen ist, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die die Entwicklungsprognose bestimmen. Wichtig ist hierbei die Stabilität und Intensität des Verhaltens (= Verhaltens|32|ausprägung) sowie ob es lediglich zeitlich begrenzt oder bereits häufiger besteht und generalisiert ist. Petermann und Petermann (2012) empfehlen, auf der

  • Einstellungsebene,

  • Verhaltensebene und

  • Umweltebene

Informationen zu erheben. Diese Diagnosestrategie umfasst Befragungen und Beobachtungen des aggressiven Kindes und seiner Bezugspersonen (vgl. Kasten 3).

1. Entwicklung des aggressiven Verhaltens aus der Sicht

  • des Kindes

  • der Eltern

  • der Schule

  • des sozialen Umfeldes (z. B. Freunde)

2. Abklärung von komorbiden Auffälligkeiten

  • hyperkinetische Störungen

  • kognitive Defizite

  • geringe soziale Fertigkeiten

  • Konflikte mit Gleichaltrigen (Geschwistern, Freunden, Schulkameraden)

  • delinquentes und dissoziales Verhalten

  • Schuleschwänzen

  • Leistungsprobleme in der Schule

  • Sucht-/Alkohol- und Drogenprobleme

  • niedriges Selbstwertgefühl bzw. geringe Selbstachtung

3. Identifikation von Risikofaktoren

A. Kindebene

  • biologische Risiken (frühkindliche Auffälligkeiten)

  • niedrige Intelligenz/kognitive Fertigkeiten

  • schlechte Schulleistungen

  • soziale Ablehnung durch Gleichaltrige

  • Einfluss dissozialer Freunde

B. Elternebene

  • frühe und anhaltende Eltern-Kind-Konflikte

  • inkonsequentes Erziehungsverhalten

  • |33|massive körperliche Bestrafungen

  • emotionale Vernachlässigung und Zurückweisung

  • Konflikte zwischen den Eltern und Trennung der Eltern

  • mangelnde soziale Fertigkeiten der Eltern

  • psychische Störungen und Krankheiten der Eltern

4. Identifikation von Ressourcen

A. Kindebene

  • langfristig angelegte Hobbies

  • Fähigkeit zur sozialen Abgrenzung

  • Bereitschaft, soziale Unterstützung anzunehmen

  • Lob/Bekräftigung annehmen können

  • positives Einfühlungsvermögen in andere

  • ...


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