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Die Formierung Europas 840-1046
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Die Formierung Europas 840-1046
von: Johannes Fried
De Gruyter Oldenbourg, 2008
ISBN: 9783486497038
372 Seiten, Download: 3056 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: B (paralleler Zugriff)

 

 
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Leseprobe

4. Haus und Wirtschaft (S. 40)

Die Menschen säen und ernten, sie kaufen und verkaufen, treiben Handel, verlangen und zahlen Abgaben und Zölle, schlagen Münzen, gründen und besuchen Märkte – und wissen doch kaum, was sie tun: wirtschaften. Die Vorstellung von einem Gesamtzusammenhang aller auf Warenproduktion, Nachfrage, Absatz, Konsumption und – verwerflich oder nicht – Gewinn gerichteten Maßnahmen gibt es noch nicht, es fehlt jeder das wirtschaftliche Ganze erfassende Begriff, es fehlt der Blick dafür.

Die antike Lehre vom Hauswesen", die „Oikonomie", ist vergessen und würde an den Verhältnissen auch wenig ändern, obwohl das „Haus" die Denkfigur ist, unter welcher man die herrschaftlich geordnete Zusammengehörigkeit von Mensch und Besitz und den Beziehungen zwischen ihnen subsumiert. Doch die antike Ökonomik war selbst noch keine Wirtschaftslehre in dem hier angesprochenen breiten Sinne.

Ihr letztes Ziel hieß Autarkie und nicht Profit, ihr fehlte noch, wie G. Mickwitz und M. Finley zeigten, der spezifische Wirtschafts- Rationalismus, der später das Abendland auszeichnen und den Europäern die Welt öffnen wird. Er ist eine mentale Attitüde, die nicht plötzlich in Erscheinung tritt, sondern langsam, durch Generationen hindurch und durch mancherlei Rückschläge gefestigt, im planenden Bewusstsein sich einnistet. Wenn irgendwo, dann dringt die Vernunft über dieWirtschaft in die abendländische Gesellschaft.

Jeder kleinste Schritt darauf zu ist von kaum zu überschätzendem Gewicht. So könnte es sein, dass gerade die dunkelsten Jahrhunderte hierin Entscheidendes leisten, indem die Menschen dieser Zeit jene wenigen intellektuellen Fertigkeiten, die sie von der Antike lernen, abweichend von ihren Lehrmeistern auch in ihrem Wirtschaftshandeln zur Geltung bringen. der Tat, erste wirtschaftstheoretische Überlegungen lassen sich in karolingischer Zeit nachweisen [Emmerich: 945].

Die Triebkraft aber, die dorthin drängt, heißt imfrüheren Mittelalter wie später: Profit, „schnöder Gewinn". Die Aussicht auf ihn verführt, die Mehrung des Reichtums lockt. Als sich – wohl im Krisenjahr 868 – eine Hungersnot abzeichnet, kaufen clevere Geistliche in Lyon systematisch die noch erreichbaren Getreidevorräte auf, um sie auf dem Höhepunkt der Not wieder abzustoßen, die Gewinne betragen 300–400 %. Steht noch im 9. Jh. der „Stolz" an der Spitze der Todsünden, verdrängt ihn im 11. Jh. der „Geiz".

Reichtum setzt sich aus einem ausgedehnten Grundbesitz und einer gut gefüllten Schatztruhe zusammen, auf diese beiden richtet sich denn zunächst die ganze Erwerbsgier. Der Reiche ist zugleich der Mächtige und Große, der Angehörige der Führungsschicht, der Arme aber der Schwache, auf Schutz Angewiesene, der Beherrschte. Reichtum ist Herrschaftsattribut, er wird kaum durch ertragreiches Wirtschaften erworben oder gesteigert, sondern vor allem durch Geburt und Heirat, durch königliche Gunst, durch schamlosen „Raub", „Wucher" und nackte Gewalt.

Die Quellen des 9. Jh. hallen wider von einschlägigen Klagen. Der kraftvolle Ritter ist das Adelsideal, nicht der besorgte Gutsherr. Die Kirchen sind zur Steigerung ihres Vermögens auf fromme Stiftungen angewiesen. Das alles zeitigt wirtschaftsgeschichtliche Konsequenzen.

Das 9. Jh. erweist sich, soweit das Frankenreich (im Zuge der Vikingereinfälle wohl auch England) betroffen ist und bedingt durch die nicht abreißende Kette karolingischer Teilungen, als eine Epoche wiederholter überregionaler und reichsweiter Umverteilung der Vermögen, die niemanden verschont und am wenigsten den König.



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