Hilfe Warenkorb Konto
 
 
   Schnellsuche   
     zur Expertensuche                      
Debatten über die Legitimation von Herrschaft - Politische Sprachen in der Frühen Neuzeit
  Großes Bild
 
Debatten über die Legitimation von Herrschaft - Politische Sprachen in der Frühen Neuzeit
von: Luise Schorn-Schütte, Sven Tode (Hrsg.)
De Gruyter Akademie Forschung, 2006
ISBN: 9783050049922
197 Seiten, Download: 6885 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: A (einfacher Zugriff)

 

 
eBook anfordern
Leseprobe

TOBIAS GRAVE

Siegreiches Verschwinden - Wie uns der Sklavenaufstand aus den Augen gerückt ist (S. 137-138)

1. Schöpferische Reaktion


In einem Nebensatz der Genealogie der Moral fällt die Bemerkung, dass der Sklavenaufstand „uns heute nur deshalb aus den Augen gerückt ist, weil er – siegreich gewesen ist" (KSA, GM, 5, 268). Beachtung wird solch entrückender Bewegung trotz ihrer bedeutungsvollen Richtung nur in einer Wendung wie der genannten geschenkt, wohl aus dem bekannten Argwohn, den Nietzsche gegen die Bewegung hegt. Trotzdem führt sie weiter, denn als Wendung betrachtet, bewirkt sie das Verschwinden selbst, nicht in jedem Fall ist, was aus den Augen gerückt ist, aus dem Sinn. Was wäre, so die Frage, wenn die Wendung des Menschen zum eigenen Innen nicht aus verhinderter Rachsucht, sondern im Namen der Abwendung seines äußeren Schicksals geschieht, dadurch, dass er sich selbst zu dieser Wendung verwandt hat?

Eigentümlich kommen im Sklaven-Ressentiment gleichermaßen schöpferische wie reaktive Momente überein. Seine Aktion ist von Grund aus Reaktion. Nein zu sagen wird zur „schöpferische[n] That". Anstelle des Ja zu sich selbst steht von vornherein das initiale „Nein zu einem ‚Ausserhalb‘, zu einem ‚Anders‘, zu einem ‚Nicht-selbst‘". „[D]ie Sklaven-Moral bedarf, um zu entstehn, immer zuerst einer Gegen- und Aussenwelt, sie bedarf, physiologisch gesprochen, äusserer Reize, um überhaupt zu agiren, – ihre Aktion ist von Grund aus Reaktion" (ebd., 270f.). Von Grund aus, das gibt zu denken. Zweierlei ist dabei gesagt. Zum einen, es muss schon etwas da sein, damit reagiert und verneint werden kann. Zweitens, dass die Reaktion sich nicht auf dasjenige bezieht, was schon da war, sondern für sich eine Novität, ein Original ist, und damit „der Anfang, die eigentliche That in der Conception der Sklaven-Moral" (ebd., 274). Veranlasst zwar, aber diesem Anlass nicht vermittelt, stellt sich die Ursprungshandlung dar.

Sie ist weder ganz Aktion, weil sie sich von sich aus nicht begeben hätte, noch ganz Reaktion, weil sie dem hervorbringenden Impuls sich nicht verknüpfen lässt. Ebenso gut gilt für sie beides zugleich, denn ohne jenen Anstoß hätte sich nichts begeben, gesetzt selbst, er wäre nicht der ihre. Wogegen sie als Tat nur von sich selbst ausgehen kann, anderes steht ihr nicht zur Verfügung. Erstanden ist am Ende der, der Bosheit konstatiert und an diesem Werturteil seine ganze Existenz hat. Ein weiterer Zusammenhang besteht nicht zwischen dem substantiellen Werturteil über die Bonität, gefällt allein aus Bonität, und der selbsterstandenen Zuschreibung der Bosheit, wo einer, dem „die eigentliche Reaktion, die der That" strikt versagt ist, sich unversehens abhilft durch eine „schöpferische That" (ebd., 270f.), und damit zu Nietzsches Überdruss noch eine massenweise Lebensform erschafft. Nichts echauffiert die Genealogie mehr als die Unmöglichkeit dieses Schlusses.

Unbenommen bleibt zunächst dabei, den Menschen des Ressentiments zum Urheber vom „ andren Ursprung des ‚Guten‘" (ebd., 278) ausersehen zu haben. Wem wäre eine solche Tat sonst anheim gestellt gewesen? Nur ist zu bedenken, dass dieser Typus selbst erst aus der Schöpfung des Werturteils ‚böse‘ hervorgegangen ist und dieses daher unmöglich als das seinige im akzidentiellen Sinn verstanden werden kann. Sehr wohl ist es das seinige, aber durchaus nicht so, als hätte es ihm freigestanden und wäre ihm selbst zur Last und in die eigene Verantwortung zu legen. Im Gegenteil. Das Nein des Ressentiments besteht in der Exklusion, oder besser, ‚an‘ ihr als „Nein zu einem ‚Ausserhalb‘, zu einem ‚Anders‘, zu einem ‚Nicht-selbst‘". Was war, tritt nicht mehr in Erscheinung und wird unbekannt verneint. Nietzsche räumt ebendieses ein: „[W]er jene ‚Guten‘ nur als Feinde kennen lernte, lernte auch nichts als böse Feinde kennen" (ebd., 274). Sie bleiben unerkennbar in dem, was sie eigentlich sind oder waren.



nach oben


  Mehr zum Inhalt
Kapitelübersicht
Kurzinformation
Inhaltsverzeichnis
Leseprobe
Blick ins Buch
Fragen zu eBooks?

  Navigation
Computer
Geschichte
Kultur
Medizin / Gesundheit
Philosophie / Religion
Politik
Psychologie / Pädagogik
Ratgeber
Recht
Reise / Hobbys
Technik / Wissen
Wirtschaft

  Info
Hier gelangen Sie wieder zum Online-Auftritt Ihrer Bibliothek
© 2008-2024 ciando GmbH | Impressum | Kontakt | F.A.Q. | Datenschutz